Ein Besuch in Wien ist nur wirklich dann ein Besuch in Wien, wenn man auch ein Wiener Kaffeehaus besucht hat. Denn Wiener Kaffeehäuser sind alles andere, als normale Cafés, wie wir sie heute gewohnt sind: Wiener Kaffeehäuser sind Zeitzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts! Der Zeit, in der Schriftsteller und Gelehrte in den Wiener Kaffeehäusern zusammenkamen, um Zeitung zu lesen, zu philosophieren oder sogar zu schreiben!
Schon beim ersten Schritt ins Café Sperl, eines der urig-historischen Wiener Kaffeehäuser, war es um mich geschehen: Ich befand mich auf einer Zeitreise und war sofort hin und weg vor Glück und wohligem Gefühl. Die unteren Wände des großen, gemütlichen Raums, der eher wie ein Wohnzimmer aussieht, sind dunkel vertäfelt. An den 5-meterhohen Wänden schlängelt sich der Stuck in wunderschönen Bahnen zum goldenen Kronleuchter empor. Darunter sitzen, auf samtigen Bänken, wohlgekleidete ältere Herrschaften, die ihre Nase hinter der Zeitung versteckt haben, genauso wie hippe Studenten, die eifrig auf ihren Laptops herumtippen. Hier sitzt Alt neben Jung und Tourist neben Ur-Wiener, ohne dass es komisch wäre. Obwohl die Einrichtung so anmutend ist, mache ich es mir bequem und breite meine Zettel auf dem Tisch aus: Auch ich möchte heute hier schreiben.
Was wir von heutigen Cafés eher weniger gewöhnt sind, ist in Wiener Kaffeehäusern Gang und Gebe: stundenlang am Tisch zu sitzen, um die Zeitung zu studieren oder zu schreiben, obwohl man nur einen Kaffee bestellt hat. Als Orte des Gedankenaustausches bilden die Wiener Kaffeehäuser heute ein Stück Wiener Tradition. So gehört die Wiener Kaffeehauskultur seit 2011 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Außer einer präzisen Differenzierung der Kaffeesorten in kleiner Brauner, großer Brauner, Verlängerter, Wiener Melange und, und, und gehört zur Wiener Kaffeehauskultur ein grantiger Ober, dem Herzlichkeit und Freundlichkeit nicht gerade auf die Stirn geschrieben stehen. Auch wenn sich dies mancherorts schon abgeschwächt haben mag, so sind Wienern insgeheim doch stolz auf ihre grantigen Ober.
Obwohl Wiener Kaffeehäuser in sich sehr unterschiedlich sein können, von kühl-stilvoll (Café Landtmann) über gemütlich (Café Sperl) hin zu ehrlich abgenutzt (Café Westend neben dem Westbahnhof), ihnen allen gemein ist der authentische Charme und der Hauch vergangener Tage, der in jeder Kaffeetasse mitschwingt.
Wer einen Hang zu Nostalgie, ein Faible für Antiquitäten oder eine Spürnase für Entdeckungen und Geschichten hat, der wird sich in Wiener Kaffeehäusern sofort wohlfühlen. Für alle anderen sind Wiener Kaffeehäuser ein Stück Kultur und Geschichte, fernab von Museen oder staubigen Büchern, die zum Zurücklehnen und Genießen einladen. Schließlich darf hier auch noch geraucht werden.
Bei einem Streifzug durch die Innenstadt kann man die Traditionskaffeehäuser eigentlich kaum verfehlen. Hier aber noch ein paar besondere Schmuckstücke zur Inspiration:
- Café Sperl, Gumpendorfer Strasse 11
- Café Landtmann, Universitätsring 4
- Cafe Westend, Mariahilfer Strasse 128
- Café Prückel, Stubenring 24
- Café Central, Herrengasse 14
- Café Hawelka, Dorotheergasse 6