Wir fahren nach Wien, um die Stadt kulinarisch zu erobern. Dazu dürfen wir uns zwei Tage lang die Bäuche voll hauen, allerdings nicht ganz ohne Anspruch. Wir sind übrigens: Clemens als Tourguide, Daniel an der Kamera und Markus mit Stift und spitzen Ohren.
Die ganz bekannten kulinarischen Highlights gibt es in jedem Reiseführer und selbst Tipps von Locals sind schon mit einer Karte veröffentlicht und bei uns im Hotel erhältlich. Wir treffen meinen alten Freund Clemens – er sammelt seit vielen Jahren für Freunde die neuesten Restaurant-Tipps, pflegt einen eigenen Wienguide für Freunde und ist up-to-date über die neuesten kulinarischen Locations.
Tag 1
Bei Sonnenschein und 20 Grad leihen wir uns Fahrräder am MEININGER Hotel. Die KTM Räder sind im Vergleich zu allen Leihrädern, die ich je hatte, wirklich super. Ich würde sogar sagen, besser als mein Eigenes. Fahrradfahren in Wien können wir nur empfehlen. Es gibt fast überall Radwege und man ist sehr schnell in der Stadt unterwegs.
Ferrari Gelato
Unsere erste Station ist das Ferrari Gelato in der Krugerstraße 9. Dazu treffen wir uns an der Oper und gehen nicht weit in die Kärntner Straße (Haupteinkaufsstraße) um auf die kleine Seitenstraße zu treffen. Das Eis schmeckt vorzüglich und ist dazu von vorn bis hinten Bio. In Wien wählt man Bechergrößen. Ab 2.20 Euro kann man sich die Sorten kombinieren. Und bei den Sorten gibt es einiges zu probieren. Ich probiere Crema Matteo – Mascarpone-Creme mit karamellisierten Pinienkernen und natürlich Schokolade, meine persönliche Eisladen-Testkugel. 120 Punkte. 100 für den Geschmack und 20 Extra fürs Biobewusstsein. Wer als Local auftreten möchte, bestellt sein Eis im Stanitzl. Was das ist? Einfach überraschen lassen oder unten in unserer kleinen Fibel am Ende der Seite nachsehen.
Zum Gschupftn Ferdl
Am Abend wollen wir zum Heurigen, denn es ist Sturmzeit. Als Sturm bezeichnet man in Wien einen sehr jungen weißen oder roten süßlichen Wein mit wenig Alkohol und leichter Kohlensäure in Flaschengärung. In Deutschland ist dieser Wein als Federweißer bekannt. Ein Heuriger ist in Österreich eine Privatperson mit Lizenz zum selbst Keltern und Verkauf – auch von deftigen Speisen. Der klassische Heurige ist am Rand von Wien angesiedelt. Wo es etwas steiler hinaufgeht, sind die Weinberge und Heurigenlokale zu finden. Nun hat ein neues Lokal in der Windmühlgasse 20, etwa zehn Gehminuten von der Oper entfernt im Innenstadtkern, eröffnet. Im Gschupftn Ferdl sind wir zunächst von der Aufmachung sehr angetan – moderne Pixelgrafik transformiert klassische Heurigenatmosphäre und bringt diese mit Augenzwinkern ins Hier und Jetzt. Die Küche überzeugt zunächst mit 100% Bioprodukten zu fairen Preisen. Geschmacklich gelungene klassische Küche macht das „Zum Gschupftn Ferdl“ zu einem echten Highlight. Auch den Reimundhof lohnt es zu durchqueren über dem Eingang steht „Freiwilliger Durchgang“. Ich muss schmunzeln, doch Clemens kann helfen. Der Durchgang ist privat und mit dem Hinweis sichert der Besitzer sein Wegerecht.
Tag 2
Frühstück im POC und im Café der Provinz
Wien ist bekannt für seine Kaffeekultur – die Wiener Kaffeehäuser waren einst Treffpunkt und Arbeitsplatz für große Literaten und Ausgangspunkt für die Kaffeehausliteratur. Wie hat sich das eigentlich weiterentwickelt?
Wir frühstücken Kaffee und Kuchen im POC Café. Dieses liegt in der Schlösslgasse und befindet sich im Seitenteil einer Kirche. Die Leidenschaft für Kaffee wird sehr schnell deutlich. Auf dem Tresen stehen gleich mehrere Geräte für die Kaffeezubereitung, darunter ein Glaskolben mit dem man kalten Kaffee zubereiten kann – ein echtes Kaffeelabor.
Durch einen Wanddurchbruch sieht man in die Küche der Guerilla Bakery – „die Mädels“ backen immer was Neues. Jeder Kuchen ist ein Einzelstück – es gibt keinen Standardsortiment, dafür aber gehobene Qualitätsstandards. In einer Mühle von Freunden wird zum Beispiel das hauseigene Biomehl gemahlen. Bio-Bio-Bio – wir gewinnen den unglaublich positiven Eindruck, dass sich gerade in der Kultur der Neueröffnungen endlich ein nachhaltiger Standard entwickelt. Die Preise liegen unter dem Café Sacher der Geschmack meines Empfindens weit darüber!
Nach dem zuckersüßen Einstieg haben wir Lust auf Herzhaftes und gehen ein paar Gassen weiter in das Café der Provinz. Hier isst man Crêpes aus Buchweizen und trinkt Tee. Dass auch hier alles Bio ist, empfinden wir nun schon als selbstverständlich. Mit 5,50 € für den Crêpe mit Spiegelei hat man ein leckeres Schnäppchen geschlagen. Die Bedienung ist sehr freundlich, das Café unglaublich gemütlich. Wir plaudern und trinken Tee und planen unseren nächsten Stop.
Plutzer Bräu
Wir sind nach unserem Frühstück zwei Stunden durch den Regen gelaufen, um wieder Hunger zu bekommen. Das hat schon mal geklappt. Allerdings haben einige der anvisierten Lokale geschlossen oder noch Ferien. Da es langsam auch an den Füßen nass wird, gehen wir kurz entschlossen in ein alteingesessenes Lokal, was nach Clemens Aussage große Zeiten erlebt hat – das Plutzer Bräu am Spittelberg. In dem riesigen Saal sitzen wenige ältere Menschen. Ich möchte es kurz halten. Das hauseigene Bier schmeckt gut! Das Wiener Schnitzel, Gulasch und ein vegetarischer Erdäpfelauflauf enttäuschen durch eine unzeitgemäße und fade Küche. Wem Bio egal ist, der geht besser für sein Wiener Schnitzel um die Ecke ins günstige Centimeter II.
Cafe Diglas
Das Café Diglas in der Wollzeile 10 ist eines jener berühmten Wiener Kaffeehäuser in dem sich die Literaten um die Jahrhundertwende tummelten. Man sollte es erlebt haben! Die opulenten Kuchen aber auch die Speisekarte, auf der sogar Zanderfilet steht, zeigen, dass Tradition und Qualität Spaß machen können und Ihren Platz verdienen. Es hat Stil in dem historischen Café zu sitzen. Moderne Elemente sind vorhanden – Tipp: Ein Besuch der Toilette ist sehr überraschend.
Kulinarische Fibel
Wir haben viel erlebt, bestellt und natürlich gegessen. Viele Speisen sind in Wien besonders und haben einen eigenen Namen. Dazu unsere kleine Fibel:
Debreziner – Scharfe Frankfurter mit Fettanteil
Einspänner – Doppelter Espresso mit Schlagobers im Glas
Erdäpfel – Kartoffeln
Frankfurter – Wiener Würstchen
Gespritzter – Schorle
Kleiner Brauner/Großer Brauner – Kaffee mit einem Schuss Milch
Käsekrainer – Mit Käse gefüllte Krainer (Wurst)
Krainer – Regionaltypische grobe Bratwurst (ursprünglich aus Krain (heute Slowenien)
Melange – Mit Wasser verlängerter Mocca mit Milchschaum und Schlagobers
Nockerl – Spätzle
Palatschinken – Pfannkuchen
Paradeiser – Tomaten
Rote Rüben – Rote Beete
Sauerrahm – Saure Sahne
Sackerl – Tüte
Semmeln – Brötchen
Stanitzl – Eiswaffel / Eistüte
Schlagobers – Schlagsahne
Schwammerl – kleine Pilze (Große Pilze = Pilze)
Topfen – Kwark
Überstürzter Neumann – (selten) verkehrter Einspänner / Schlagobers mit doppeltem Espresso
Vogerlsalat – Feldsalat
Waldviertler – Geräucherte Krainer